Über drei Tage haben sich Theaterschaffende an der Lehrstück-Methode Reiner Steinwegs probiert und sich an einer Szene aus Brechts „Die Maßnahme“ abgearbeitet.
In der Szene wird das Scheitern eines „jungen Genossen“ geschildert, der die Aufgabe hatte, Waffen von einem unangenehmen, reichen Kaufmann für den kommenden Aufstand zu beschaffen. Dem „jungen Genossen“ gelingt es jedoch nicht, seine Verachtung gegenüber dem Händler zu verbergen. Brecht-Fans kennen diese Szene sicher.
Die Spieler*innen fühlten sich, aufgeteilt in zwei Gruppen und unabhängig voneinander, an unsere Verhandlungen mit dem Team der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz erinnert. Der menschenverachtende „Gesang“ des Händlers, dem sich der „junge Genosse“ ausgesetzt sah, ist, auch in einer larmoyanten Variante, Machtmissbrauch. Auch Ideenklau ist übrigens Machtmissbrauch, auch wenn der Missbrauchende seine Macht leugnet.
Schon im Winter 19/20 haben wir uns im Austausch mit dem Autor Kevin Rittberger die Frage gestellt, ob das Brechtsche Lehrstück-Spiel nach Steinweg eine Methode sein könnte, Mitarbeiter*innen der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz ins Gespräch mit unterschiedlichen Akteur*innen der Stadtgesellschaft zu bringen.
Für uns eine Methode, die in ein Gesamtkonstrukt wie B6112 thematisch, politisch und strukturell sehr gut längerfristig zu integrieren wäre. Die Begeisterung der Spieler*innen in diesem Talk bestätigt uns in dieser Annahme.
Mit Reiner Steinweg zu arbeiten ist eine große Freude! Das Lehrstückspiel ohne Publikum ist ein interessantes Emanzipationswerkzeug, das wir insbesondere Theatern in ihrer derzeitigen Krise ans Herz legen wollen. Einen Strukturwandel kann es nur geben, wenn ehrlich über Machtbeziehungen nachgedacht wird und darüber, wie lange wir als Gesellschaft ausbeuterische Systeme noch mittragen wollen.